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Arutz Sheva: Piraten oder Patrioten?

 

In der Ausgabe 2004 von Sender und Frequenzen findet man auf den Seiten über Israel unter den Stichwort „Arutz Sheva“ (Kanal 7) die Information „der ehemalige Seesender ... darf mittlerweile von israelischem Boden aus arbeiten und setzt hierfür UKW und Mittelwelle ein“. Das stimmt nur bedingt, denn das „ehemalig“ gilt inzwischen auch für die Onshore-Frequenzen. Die Regierung Sharon hatte die Station am 20.Oktober 2003 stilllegen lassen, unter Hinweis auf die Mediengesetze des Landes. Für ihre Betreiber kam die Aktion überraschend. Vertritt doch Kanal 7 in der Hauptsache jene Israelis, die sich in nach dem Ende des sog. „Sechs-Tage-Krieges“ 1967 in den eroberten Gebieten niedergelassen hatten: Samaria und Judäa („Westjordanien“), der Gaza-Streifen und die Golanhöhen. Diese Gebiete werden auch als „Yesha“ (hebr. Abk. f. Judäa, Samaria u. Gaza) bezeichnet. Das ebenfalls eroberte Ost-Jerusalem mit der Klagemauer wurde per Gesetz zum „unteilbaren Bestandteil Israels“ erklärt. Vor allem jene Regierungen, denen der Likud vorstand, unterstützten die Errichtung von Siedlungen in vormals arabischen Gebieten. Das hat sicherlich seinen Grund in der steigenden Einwandererzahl in das kleine Land, die nach der Öffnung der Sowjetunion Größenordnungen annahm, wie man sie nur aus der Zeit der Gründung des jüdischen Staates kannte. Außerdem erfüllen diese neuen Siedlungen die Funktion von Wehrdörfern, durchaus nachvollziehbar in Hinblick auf Übergriffe palästinensischer Terroristen im israelischen Kernland und den Waffenschmuggel an der Grenze zwischen Gaza und Ägypten.

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Logo und Link auf die Seite von Arutz Sheva / Israel National Radio

Israel-Flaggen-Yesha

Ein Vorposten im ehemals jüdischen Gaza - die Farbe orange ist Zeichen der Siedler in der Yesha (Foto: Reuters).

Arutz Sheva ist das Sprachrohr jener Siedler. Sein Programm kann man als „radikal-zionistisch“ bezeichnen, anknüpfend an den Pioniergedanken der ersten jüdischen Einwanderer im 20. Jahrhundert.

Wie dem Internet-Service von A-7 zu entnehmen war, hat der nach Schließung des Senders entbrannte Rechtsstreit nun ein Ende. Beide Seiten, die Staatsanwaltschaft und die Rechtsanwälte des Siedlersenders folgten am 18.05.04 der Empfehlung des Jerusalemer Distrikt-Gerichtes und nahmen ihre Revisionsanträge zurück. Dies bedeutet die Rechtskräftigkeit eines Urteils aus dem letzten Jahr. Insgesamt wurden zehn an Arutz Sheva beteiligte Personen zum Ableisten gemeinnütziger Arbeit und Geldstrafen verurteilt, insgesamt 450.000 Schekel, also rund 81.700 €. Urteilsbegründung: die Ausstrahlung nicht lizensierter Programme, kürzer: Rundfunkpiraterie.

Dennoch feiert die Interessenvertretung der Siedler, der „Yesha-Rat“ das Prozessende als Erfolg. Das Gericht verurteilte die Angeklagten nur wegen Sendens ohne Lizenz und hatte ausgesprochen, was viele schon vermuteten. Es ging nicht um die Rundfunkpiraterie, sondern vielmehr um deren Inhalt. Arutz Sheva hatte 15 Jahre lang unbehelligt gesendet, zuerst von See, dann landgestützt. Mehr noch: Eine Reihe von Regierungen Israels (und nicht nur jene unter Likudführung) hatten den Sender unterstützt. Ideologisch und finanziell. Besonders Ariel Sharon hatte sich als Mentor der Siedler hervorgetan. Man war auf sie angewiesen. Doch nun scheinen sie im Wege zu stehen. Die öffentlich gesponserten Vorposten in den „besetzen Gebieten“ liegen in Territorien, die Israel im Verlauf aktueller Friedensgespräche räumen müsste. Und hier erinnert man sich gut an die Stadt Yamit. Sie lag auf dem Sinai und wurde, begleitet von Widerstand, durch die Armee 1985 geräumt und mit Ausnahme der Synagoge, dem Erdboden gleich gemacht. Gush Katif, die größte jüdische Siedlung im „jüdischen Gaza“, fürchtet ein ähnliches Schicksal. Umsomehr, als dass viele Bewohner Yamits sich hier niedergelassen hatten. Nicht umsonst gebrauchen Arutz Sheva und andere Siedlerorgane den Slogan „remember Yamit - support Jewish Gaza“.

Ein wichtiges Datum für den Siedlersender war der 23.Februar 1999. Die Knesset lizensierte Kanal 7 nachträglich, aus dem Kreis der oppositionellen Arbeiterpartei kamen Proteste, die in der Anrufung des obersten Gerichtes mündeten. Dieses wiederum erklärte am 26.März 2003 die Betriebserlaubnis für „null und nichtig“. Arutz Sheva bewegte sich juristisch von nun an auf dünnem Eis, wurde aber weiterhin geduldet.

Seit dem Ende Oktober 2003 ist Arutz Sheva nur noch im Internet zu verfolgen. Dieses Programm folgt im wesentlichen den Rundfunkausstrahlungen. Regierungskritische Berichterstattung vor dem Hintergrund der Forderung nach einem Israel in biblisch begründeten Grenzen (Eretz Israel). Die Schilderung des Lebens in den Siedlungen wird durch Links auf deren Internetseiten ergänzt. Ein finanzielles Standbein von Kanal 7 scheinen neben Werbung Spenden aus dem Ausland, hier vor allem den USA, zu sein. Interessierte, die den Informationsdienst via email nutzen, erhalten persönliche Anrufe aus Israel mit der Bitte um monetäre Unterstützung. Arutz Sheva betreibt einen regelgerechten Fanshop. Baseballmützen mit dem Logo sind ebenso zu erhalten, wie T-Shirts oder andere Utensilien. Dass auch Andenken mit dem hebräischen Logo der Armee (Zahal) oder anderer Sicherheitskräfte verhökert werden, verwundert nicht, ebenso wenig, wie die Aufforderung, im Gaza dienenden Soldaten Geschenkpäckchen zuzusenden. Allerdings findet man derartige Anliegen auch auf den Webseiten israelischer Zeitungen, wie etwa Haaretz und Maariv und der Armee selbst. Schließlich gibt es immer wieder Aufrufe an zahlungskräftige Ausländer, Immobilien und Land in Yesha zu kaufen, um eine Räumung juristisch zu erschweren.

Zwei weitere illegale Radiostationen haben sich dem Schicksal Yeshas angenommen. Nur schwach in Israel ist hin und wieder „Radio Yesha“ auf 6.800 kHz zu hören. Bereits in Haifa ist der Sender nur schwach aufzunehmen, im nördlichen Kiryat Shemona gar nicht. Die Chancen, ihn in Europa zu empfangen, gehen ergo gegen null. Der Inhalt ist wesentlich radikaler und offen antiarabisch. Von den Hoffnungen der Siedler auf einen status quo will man hier nichts wissen. Selbst die Radikalsten unter ihnen kämen nicht auf die Idee, den Sinai zurückzufordern, den Libanon anzugliedern und Damaskus dem Erdboden gleich zu machen. Die Betreiber von Arutz Sheva wurmt, dass diese Station immer wieder ihre Internetprogramme anzapft und damit on air geht. Weniger radikal ist die „Voice of Peace Onshore“, die bis vor einem Jahr hin und wieder auch in Europa auf 6245 kHz zu hören war. Unter „Peace“ wurde hier verstanden „Peace and security for Israel“, ein beliebter Satz Ariel Sharons. Die Station hat ihren Betrieb angesichts des „Schauprozesses“ gegen Arutz Sheva vorerst eingestellt.

Die Betreiber von Kanal 7 wittern Morgenluft. Da ist der erfolglose Versuch Ariel Sharons, die Mitglieder seiner Likud-Partei auf Linie zu bringen. Seine Umfrage, ob man Gaza räumen sollte, endete in einem Fiasko, die Mehrheit wollte den Landstrich behalten. Arutz Sheva blieb dabei nicht untätig und rief seine Hörer immer wieder auf, Likud-Mitglieder zuhause aufzusuchen und sie dazu zu bewegen, gegen Sharons Gaza-Plan zu stimmen.

Und dann ist da noch das geplante neue Mediengesetz. Die Rede ist von der Lizensierung von Sendern für Minderheiten. Geplant ist ein Programm für russische Einwanderer, eines für die chassidischen (orthodoxen) Juden und eines für die Einwohner Yeshas. Dass Arutz Sheva bei Einführung des Gesetzes den Zuschlag erhalten würde, steht außer Zweifel: Nur Kanal 7 besitzt eine funktionierende Infrastruktur und wird von den Siedlern als das angesehen, was es ist: ihr Sprachrohr.

Am Ende noch eine Kuriosität. Die im „Siebel“ aufgelistete QRG 1540 kHz Mittelwelle war zuvor von einem anderen Seepiraten verwendet worden: Kol ha Schalom (Stimme des Friedens) sendete hier „from somewhere in the Mediterranean“, obwohl vom Strand Tel Avivs aus mit bloßem Auge sichtbar. Hier klaute man munter Nachrichten und Verkehrsfunk des staatlichen Kol Israel und sendete für den Frieden zwischen Israelis und ihren arabischen Nachbarn...

Erklärung von Arutz Sheva am 20.10.2003 (Tag der Stilllegung)

An die treue und loyale Hörerschaft von Arutz Sheva, möge G-tt Euch aus Zion segnen.

Fünfzehn Jahre lang sendete Arutz Sheva Torah-Lesungen und Liebe für das Volk und Land mit Unterstützung der Führer Israels. Die Sendungen begleiteten und förderten die Erfüllung der Thora in Israel und die Besiedlung des Landes.

Einer Entscheidung der Likud-Regierung von Gestern folgend, die Verbreitung nicht lizensierter Stationen zu unterbinden und der heutigen Gerichtsentscheidung folgend, hat das Management von Arutz Sheva beschlossen, alle Radiosendungen um 17.00 an diesem Abend zu beenden.

Frieden für Alle!

Ich danke Aaron Berele (Haifa) für weitergehende Informationen.

(Rüdiger Heinrich)