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Deutsche Physiker und die Shoa

 

Die DPG (Deutsche Physikalische Gesellschaft) hatte Glück, dass es in ihren Reihen keinen Josef Mengele gab". Mit diesen Worten charakterisierte der US-amerikanische Historiker Mark Walker gegenüber der Wochenzeitung Die Zeit die Situation deutscher Physiker während der Nazizeit. Walker ist Verfasser des Buches „Die Uranmaschine - Mythos und Wirklichkeit der deutschen Atombombe". Nach seiner Meinung hatten Physiker sich nur zögernd mit der Politik des Nationalsozialismus arrangiert, aber dann doch ihr Wissen in den Dienst des Rüstungsministers Albert Speer gestellt. Die Politik der Shoa sei unterstützt worden. „Sie haben ihre jüdischen Mitglieder rausgeworfen, und ja, sie haben begeistert die Militarisierung der Grundlagenforschung vorangetrieben", stellte Walker fest. Und doch waren nach seiner Meinung andere Verbände angeblich schlimmer. Chemiker und Ingenieure hätten Menschen jüdischen Glaubens „öffentlich und mit Begeisterung rausgeworfen". Die Physiker könnte man kritisieren, „aber im Vergleich zu anderen Disziplinen sieht es bei den Physikern noch ganz gut aus" wird Walker zitiert.

Darüber kann man gewiss unterschiedlicher Meinung sein. Den Antisemitismus einer Forschungsrichtung in Nazideutschland damit zu relativieren, dass die „anderen viel schlimmer gewesen wären", grenzt an Zynismus. Ist es etwa ein Pluspunkt für die deutsche Physik zwischen 1933 und 1945, dass sie „schließlich (1938) gezwungen wurden, die letzten jüdischen Mitglieder auszuschließen"? Fakt ist, die Mehrheit der organisierten Physiker in der Nazizeit haben ihre jüdischen Kollegen vor die Tür gesetzt, ausgegrenzt und häufig denunziert. Ob sie es nun früher oder später als andere Wissenschaftsverbände gemacht haben, ist letztlich egal, sie haben es getan und somit der Shoa Vorschub geleistet. Es ist traurig, dass sich ein Historiker auf derartig zynische Vergleiche einlässt und die damalige Physik in Deutschland geradezu vom Antisemitismus zu befreien sucht, weil die ja später mit der Judenverfolgung in ihren Reihen angefangen hat. Das klingt ähnlich perfide wie die menschenverachtende Frage, ob die SS in Auschwitz mehr jüdische Menschen ermordet hat oder die SS in Sachsenhausen. Waren diejenigen, die weniger Männer, Frauen und Kinder gequält und getötet haben deshalb auch die kleineren Nazis?

Erschienen in NaSchw 93, 2005/3