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Weltuntergang 2012 - Eine kurze Geschichte der Apokalypsen
Teil II: Von 1918 bis 2013
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Während in bestimmten Kreisen sowohl der Untergang der Titanic 1912 als auch der Erste Weltkrieg von 1914 bis 1918 dem Halleyschen Kometen als Vorzeichen des Weltunterganges in die Schuhe geschoben wurden, war es in der Folgezeit zunächst erstaunlich ruhig. Daran änderte auch das sich rasch ausbreitende Massenmedium „Radio“ wenig.
Zwar hatten die „Zeugen Jehovas“ für 1925 ihr Armageddon wieder einmal herauf beschworen, doch auch diesmal warteten die selbsternannten Auserwählten vergeblich auf den martialischen Endkampf, den Johannes in seinen Offenbarungen beschworen hatte. Um so erstaunlicher, als dass die Weisen der umstrittenen Religionsgemeinschaft offenbar nicht fähig waren, die wahre Apokalypse für sich und viele andere Menschen vorher zu bestimmen. Gemeint sind die Verbrechen der Nationalsozialisten, mündend in den Todeslagern von Auschwitz und Treblinka. Auch „Zeugen Jehovas“ waren vielfache Opfer von Rassenwahn und Minderheitenhass im nationalsozialistischen Deutschland.
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Ähnlich dem Kometen Halley entfachte im Jahr 1973 Kohoutek (Periheldurchgang 28. Dezember 1973) in bestimmten Kreisen Untergangserwartungen, auch wenn in der breiten Öffentlichkeit eher die imposante Erscheinung des Kometen im Vordergrund stand. Einige evangelikale Gruppen, die bis heute gerne das Schicksal der Welt mit jenem des Staates Israel in Verbindung brachten, sahen im arabischen Überfall (Oktober 1973), besser bekannt als „Yom-Kippur-Krieg“ eine deutliche Bestätigung.
Den Vogel indes schoss der US-amerikanische Sektenführer David Berg alias Moses David ab. Der für freie Liebe plädierende Berg prophezeite, Kohoutek würde im Gebiet der USA aufschlagen und folglich alles vernichten. Das einzige, was aufschlug, war jedoch die Polizei, die Berg wegen Pornographie und Sex mit Minderjährigen verhaftete. Danach verschob er die Apokalypse auf das Jahr 1993...
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Mag man über David Berg und sein bizarres Auftreten noch lächeln, so mündeten die Untergangsvisionen von Jim Jones in ein grauenhaftes Ende. Der als paranoid geltende Sektenführer war mit seiner Gemeinschaft „Volkstempel“ nach Britisch-Guayana ausgewichen, als er in das Visier US-Amerikanischer Bundesbehörden geriet. Doch auch dort liess man ihn - zu Recht - nicht in Ruhe. Nachdem in Medien bekannt wurde, dass es auf dem Territorium der Sekte zu massiven Menschenrechtsverletzungen gekommen war, erhielt Jones erneut Besuch von US-Strafverfolgern. Er befahl 1978 den Massenselbstmord der gesamten Gemeinschaft. Über 900 Menschen starben, die Meisten von ihnen durch Gift, viele wurden erschossen, als sie sich weigerten, den Phantasien ihres Führers zu folgen.
Der Staat Israel musste einmal mehr für den Weltuntergang herhalten, als der US-amerikanische Evangelist Bill Maupin für den 30. Juni 1981 das Ende prophezeite. Seiner Sekte „Lighthouse Gospel Tract Foundation“ verkündete er nach dem Fehlschlag, Schuld daran, dass die Offenbarungen des Johannes noch nicht eintreten, sei der im gleichen Jahr abgeschlossene Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten gewesen. Immerhin, so der in Israel selbst als „unerwünschte Person“ geltenden Prediger, hätte Israel mit der Räumung des Sinai Teile des Heiligen Landes an Ungläubige verschachert. Einer der wenigen Momente, in denen fundamentalistisch Christen und national gesinnte israelische Siedler einer Meinung waren.
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Der im gleichen Zeitraum aktive Sektenführer Bhagwan sparte ebenfalls nicht mit düsteren Prognosen, die sich zwischen 1984 und 1999 ereignen sollten. Alle großen Städte würden durch Erdbeben, Vulkanausbrüche und Flutwellen (unzutreffendes streichen) von der Erde getilgt, überleben nur diejenigen, die an ihn und seine Prophezeiungen glaubten. Wie auch David Berg, so landete Bhagwan im US-Knast. Diesmal nicht wegen sexueller Ausschweifungen, sondern wegen Verstöße gegen das Einwanderungsgesetz und Steuerhinterziehung.
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Dass die Welt am 24. November 1993 untergehen würde, glaubte zumindest die in der Ukraine wirkende Russin Marina Cviguna. Ihre Anhänger bezeichnen sie als Maria Devi Christos und sind fest überzeugt, dass sie vom Sirius stammt und die fleischgewordene Wiedergeburt des Messias und der Mutter Maria ist. Ihr äußerliches Auftreten ist eine abenteuerliche Mischung als orthodox-russischen und altägyptischen Elementen. An besagtem Tag, so Cviguna, hätte eigentlich die „Galaktische Föderation des Lichts der Grossen Mutter“ die Macht übernehmen sollen. Einen Strich durch die Rechnung machten ihr dummerweise russische und ukrainische Sicherheitskräfte. Nachdem bekannt wurde, dass sich zahlreiche Anhänger mittels Selbstmord - die Rede war laut russischen Medien von etwa 500.000 Menschen - der Machtübernahme anschliessen wollten, einige Fanatiker gar die grosse Sophienkathedrale in Kiew besetzt hatten, wurde dem Spuk ein Ende gesetzt, der weibliche Messias verschwand für vier Jahre im Arbeitslager, ihr Ehemann sieben Jahre und auch der von ihr ernannte Erzbischof kam nicht ungeschoren davon. Mittlerweile wartet der weibliche Messias noch immer auf das Signal vom Sirius, die Erde zu übernehmen und kommuniziert dabei in ihrer Muttersprache, denn Russisch ist die „kosmisch universelle Sprache“, die einzige, die im gesamten Universum verstanden wird.
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Sektenführerin Cviguna als Mischung zwischen Jungfrau Maria, Isis und wer-weiß-noch (BIldquelle: Sekten-Webseite).
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Konnte ein tragisches Ende der Fanatiker um Cviguna noch abgewendet werden, mündete der Sirus-Glaube der Sekte der Sonnentempler in eine Katastrophe. Sirius als hellste Fixstern am Himmel hat die Menschheit seit jeher begeistert, in vielen antiken Kulturen, etwa der ägyptischen, spielte der Hauptstern im Canis Maior eine grosse Rolle. 1994 prophezeiten die Sektenführer Joseph Di Mambro und Luc Jouret den Weltuntergang und versprachen ihren Anhängern, sie würden diesen als Geistwesen überleben und sich auf Sirius neu ansiedeln. Voraussetzung sei jedoch der Freitod, den 53 Menschen auch umgehend wählten, ebenso, wie weitere 16 ein Jahr später. Erst die zweite Todeswelle machte deutlich, dass hier nicht religiöser Fanatismus am Werke war, sondern ein brutaler Machtkampf und handfeste finanzielle Interessen innerhalb der Sekte. Viele der Selbstmorde entpuppten sich als eiskalte Tötungsdelikte und Sirius war nur ein Vorwand.
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Vermutlich sehr ernst nahm der US-amerikanische Prophet Marschall Applewhite seine Prophezeiung, als 1997 Hale-Bopp am Himmel erschien. Der harte Kern seiner Sekte „Heaven's Gate“, 39 Menschen an der Zahl, begingen Selbstmord, um sich auf die Rettung durch ein Raumschiff vorzubereiten, dass sich im Kometenschweif verbarg.
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Mit grossen Schritten nähern wir uns der zweiten Jahrtausendwende christlicher Zeitrechnung. War im Jahr 1000 die Zahl der Prophezeiungen noch überschaubar, sorgten zur Jahresende 1999/2000 Globalisierung, die hohe Mediendichte und nicht zuletzt das aufstrebende Internet für eine solche Flut an Untergangphantasien, dass es unmöglich ist, ihnen allen in einem kurzen Abriss Gerecht zu werden. Beruhigend ist hingegen, dass viele Vorhersagen leicht widerlegbar waren. Viele waren nur peinlich und lediglich zum Fremdschämen geeignet. Im Gegensatz zu den Tragödien der letzten aufgezeigten Weltuntergänge entstand häufig nur ein Rauschen im (Boulevard-) Blätterwald, auf einschlägigen esoterischen Internetseiten oder hinlänglich bekannten Privatsendern.
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Doch das Jahr 2000 wurde schon früher in puncto Weltuntergang favorisiert. Überliefert ist etwa die Berechnung des englischen Bischofs Hugh Latimer, der im Jahr 1552 wieder auf die mehrfach hier erwähnten 6000 Jahren Weltgeschichte zurückgriff. Seine Auffassung nach waren zu diesem Zeitpunkt bereits 5552 Jahre verstrichen, fehlen also noch 448 Jahre bis zur Erfüllung der Offenbarungen des Johannes.
Als das Buch „Observations upon the Daniel and the Apocalypse of St. John“ im Jahr 1643 erschien, war sein Autor Sir Isaac Newton bereits verstorben. Er hatte die posthume Veröffentlichung testamentarisch verfügt, auch nach seinen Berechnungen wäre im Jahr 2000 Schluss gewesen. Es wird vermutet, dass Newton die Ergebnisse unter Verschluss hielt, um seine eigene Glaubwürdigkeit nicht aufs Spiel zu setzen.
Zu den Propheten des Untergangs 2000 wird auch Edgar Cayce (1877-1945) gerechnet, der als einer der Vorväter esoterischer Weltanschauung gilt. Nach seiner Auffassung hätten zur Jahrtausendwende schwere Erdbeben grosse Zerstörungen in den USA angerichtet und eine zweite Sintflut alle Anrainer-Staaten des Mittelmeeres unter Wasser gesetzt.
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Zum Entsetzen offizieller katholischer Stellen ergriff zum Jahrtausendwechsel der eher unbekannte Pater Stefano Gobbi das Wort. Die Jungfrau Maria habe ihm persönlich die Prophezeiung des bevorstehenden Armageddon überbracht. Radio Vatikan dementierte umgehend...
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Alle erdenklichen Register eines Untergangs zog Erika Hedwig Bertschinger-Eicke. Sektenbeauftragten ist sie eher geläufig unter dem Pseudonym Uriella, ihre Sekte nennt sich „Fiat Lux“. Zum Jahreswechsel 1999/2000, so Bertschinger-Eicke würde Atlantis aus den Fluten des Bermuda-Dreieckes wieder auftauchen und ausserdem ein Polsprung stattfinden. Damit nicht genug: Ein Asteroid schlägt 2000 in die Nordsee ein, die USA führt einen Atomkrieg gegen China (freilich mit China als Aggressor) und die Russen würden in Europa einmarschieren.
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Ob Erika Hedwig Bertschinger-Ecke wirklich wusste, wovon sie sprach, als sie über den Polsprung philosophierte, mag bezweifelt werden. Auch ihre Untergangsahnung war wohl eher was für die Ahnungslosen ihrer Glaubensgemeinschaft (Bildquelle: Keystone).
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Weit gefährlicher als Uriellas Prophezeiung, die ausser ihr selbst niemand ernst nahm, waren die Hirngespinste des Monte Kim Miller der „Concerned Christian“. Um den Weltuntergang vorzubereiten, wollte er seine Jünger nach Israel schicken, um dort „heidnische“ Heiligtümer, sprich die Klagemauer, Synagogen und Moscheen, in die Luft zu sprengen. Viele von ihnen, so Miller, hätten dabei die Ehre, als Märtyrer zu sterben. Ein Schicksal, das auch ihm bevorstand. „Wie Jesus“, so der Sektenführer, würden Juden ihn töten, er aber würde wieder auferstehen und in den Himmel aufsteigen. Miller teilte das Schicksal anderer religiöser Führer in dieser Auflistung: Er wurde festgenommen und landete im Gefängnis. Dass seine Mitgefangenen ihn als den Messias anerkannt haben, ist eher unwahrscheinlich.
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Ein durchaus mögliches Chaos 2000 ganz anderer Art prophezeite Robert „Bob“ Bemer (1920-2004). Der vor allem durch die Entwicklung des ASCII-Codes bekannt gewordene Computerfachmann befürchtete, dass die mittlerweile weltweit hoch vernetzten Computer in der Nacht vom 31.12.1999 auf den 1.1. 2000 den Datumswechsel nicht verkraften und sämtlich auf das Jahr 1900 zurückschalten würden. Nicht nur für die Wirtschaft hätte dies unberechenbare Folgen. Berechtigte Sorgen machte sich Berner um die atomaren Potentiale der Supermächte und die Sicherheitssysteme von Atomkraftwerken. Große Firmen aktivierten ihre Computerspezialisten und tatsächlich war alles, was in jener Nacht zusammenbrach, das Handy-Netz. Jedoch nicht wegen spinnender Computer, sondern aufgrund der Telefonier-Wut zu Silvester.
Der Astronomie weniger mächtige Zeitgenossen befürchteten im Mai 2000 das endgültige Fiasko. Ein Treffen der Planeten Jupiter, Saturn, Mars, Venus und Saturn hatte sich angekündigt, erschwerend hinzu kam, dass die ganze Bande in Konjunktion zur Sonne stand, von ungeheuren Vulkanausbrüchen war hier die Rede, dem Umkippen der Erdachse infolge der massiv verstärkten Gravitationsauswirkung aller erwähnten Himmelskörper. Allerdings nahm niemand diese Theorie allzu ernst, nicht einmal die Boulevard-Medien. Es muss an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden, dass sich die Anziehungskräfte nur minimal erhöhten und zu keiner Zeit eine Gefahr bestand.
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Die große Konjunktion im Mai 2000 war zwar bemerkenswert, aber nicht ungewöhnlich. Dennoch bereitete sie manchem Zeitgenossen Kopfzerbrechen.
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Da konnte der nächste Kandidat in unserer Abfolge der Weltuntergänge Einem schon richtig leid tun. Der eher berüchtigte als berühmte Prediger Harold Camping verkündete für den 21. Mai 2011 die letzte Schlacht. Nur wahre Christen würden überleben (gemeint war wieder einmal die bibeltreuen Evangelikalen), alle anderen Menschen „unbeschreibliche Qualen“ erleiden. Im Zeitalter der Massenkommunikation setzte Camping alle ihm zur Verfügung stehenden Medien ein, allen voran den weltweit operierenden Sender WYFR Family Radio. Anhänger Hollands verteilten zudem Flugblätter, sie selbst waren häufig gekleidet in T-Shirts mit der Aufschrift „King Jesus Returns“. Durch grössere Städte der USA kurvten Autos mit Werbebannern des Senders Family Radio und dem Hinweis, am 21. Mai wäre „Judgment Day“, denn die „Bibel garantiere es“. Zu allem Übel stellte WYFR seine Programme an jenem Tag ein, um sich auf den Weltuntergang vorzubereiten. Holland hatte seine eigenen Berechnungen und das verheerende Erdbeben in Haiti zur Grundlage der Vorhersage gemacht. Um 18 Uhr jeweiliger Ortszeit würden schwere Erdbeben die Rückkehr Jesu und den vorangehenden Untergang der Welt quasi einläuten. Der Prediger, dem bereits 1994 ein prophezeiter Weltuntergang durch die Realität vermasselt wurde, beeilte sich am Folgetag zu verkünden, Jesus hätte „nur“ sein Urteil über die Menschheit gefällt, der Untergang käme noch. Holland, seit diesem Reinfall nur noch ein Gespött der US-Presse, versuchte für den 21. Oktober 2011 erneut sein Glück. Allerdings nahm ihn nun keiner mehr ernst.
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...vielen seiner Anhänger und Family-Radio Aktivisten erging es nicht anders (Bildquelle: AFP).
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